Doppelcharakter der Arbeit

„Ursprünglich erschien uns die Ware als ein Zwieschlächtiges, Gebrauchswert und Tauschwert. Später zeigte sich, daß auch die Arbeit, soweit sie im Wert ausgedrückt ist2, nicht mehr dieselben Merkmale besitzt, die ihr als Erzeugerin von Gebrauchswerten zukommen.“ KM1, S.56

1 Eine Ware ist nichts Zwieschlächtiges. Jede reale Menge, und somit auch eine Ware, verfügt über eine Vielzahl von Eigenschaften die alle mit verschiedenen Größen beschrieben werden. Unter anderem verfügt jede reale Menge auch über die Eigenschaft, Bedürfnisse eines oderer mehrerer Menschen befriedigen zu können, welche mit Hilfe der Größe Gebrauchswert ausgedrückt wird.

2 Es wird nicht die Arbeit im Produktwert ausgedrückt, sondern die Arbeitszeit, welche ein Mensch gebraucht hat, um ein bestimmtes Produkt herzustellen. Was Marx noch nicht erkannt hat, ist die über Kreuz Beziehung zwischen Produktwert und Tauschwert der einen Ware mit der anderen.

„Diese zwieschlächtige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit ist zuerst von mir kritisch nachgewiesen worden.“ KM1, S.

Marx verweist an dieser Stelle auf Ausführungen in seiner „Kritik der Politischen Ökonomie“ MEGA, Band 13, S. 22, 23. Eine Korrektur und Kommentierung der dortigen Aussagen muß ich in die Zukunft verschieben, da mein Zeitfond begrenzt ist und ich mit der Kommentierung des Kapitals vorankommen möchte.

„Nehmen wir zwei Waren, etwa einen Rock und 10 Ellen Leinwand1. Der erster habe den zweifachen Wert der letzteren2,so daß, wenn 10 Ellen Leinwand = W, der Rock = 2 W3.“ KM1, S.

1 W1 = 1 Rock, W2 = 10 Ellen Leinwand.

2 Marx meint die Produktwerte von W1 und W2, wobei p1 = 2*p2 sei.

3 10 Ellen Leinwand sind eine reale Menge und keine Größe. 1 Rock ist etwas anderes als 20 Ellen Leinwand.

Der Rock ist ein Gebrauchswert, der ein besonderes Bedürfnis befriedigt. Um ihn hervorzubringen, bedarf es einer bestimmten Art produktiver Tätigkeit. Sie ist bestimmt durch ihren Zweck, Operationsweise, Gegenstand, Mittel und Resultat. Die Arbeit, deren Nützlichkeit sich so im Gebrauchswert ihres Produkts oder darin darstellt, daß ihr Produkt ein Gebrauchswert ist, nennen wir kurzweg nützliche Arbeit. Unter diesem Gesichtspunkt wird sie stets betrachtet mit Bezug auf ihren Nutzeffekt.

Wie Rock und Leinwand qualitativ verschiedene Gebrauchswerte, so sind die ihr Dasein vermittelnden Arbeiten qualitativ verschieden – Schneiderei und Weberei. Wären jene Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerte und daher Produkte qualitativ verschiedner nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich überhaupt nicht als Waren gegenübertreten1. Rock tauscht sich nicht aus gegen Rock, derselbe Gebrauchswert nicht gegen denselben Gebrauchswert.2

1 Klar kann man 1 Rock gegen 1 Rock tauschen.

2 Marx meint, daß üblicherweise die Gebrauchswert-Bedingungen des Warentausches herrschen, wenn 2 Personen A und B die Produkte ihrer Arbeit gegenander tauschen. Die Gebrauchswert-Bedingungen des Warentausches sind Gebrauchswert-Differenz und Gebrauchswert-Inversion.

In der Gesamtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerte oder Warenkörper erscheint eine Gesamtheit ebenso mannigfaltig, nach Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedener nützlicher Arbeiten – eine gesellschaftliche Teilung der Arbeit. Sie ist Existenzbedingung der Warenproduktion.1 In der altindischen Gemeinde ist die Arbeit gesellschaftlich geteilt, ohne daß die Produkte zu Waren werden.2 Oder, ein näher liegendes Beispiel, in jeder Fabrik ist die Arbeit systematisch |57| geteilt, aber diese Teilung nicht dadurch vermittelt, daß die Arbeiter ihre individuellen Produkte austauschen3. Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber.4

1 Wieso ist die Gesamtheit der Waren die Existenzbedingung der Produktion? Ursache und Wirkung sind genau umgekehrt: die Produktion führt zur Gesamtheit der Warenkörper.

2 Marx denkt, daß nur Produkte, die gegen Geld getauscht werden, zu Waren werden. Aber jedes Produkt, was gegen ein anderes Produkt getauscht wird, wird zur Ware.

3 Das Beispiel hat nur bedingt etwas mit dem Austausch von Waren zu tun. Die Arbeiter einer Fabrik kann man als den einen Fabrikarbeiter zusammenziehen. Jeder einzelne Arbeiter ist eine Teilmenge der Gesamtmenge Fabrikarbeiter. Am anschaulichsten ist vielleicht der Vergleich mit den Zellen und Organen eines Menschen. Jede einzelne Zelle kann als einzelner Arbeiter betrachtet werden. Der Verband aller Leberzellen ergibt dann das Organ „die Leber“ so wie alle Metallurgen eines Stahlwerkes die metallurgische Abteilung bilden. So wie es in einem Menschen noch 12 andere Organe gibt, gibt es auch in einer Fabrik noch etliche andere Abteilungen, die alle zusammen „den Fabrikarbeiter“ bilden. Es ist nun eine Frage des Standpunktes, ob man die Übergabe der Bramme an das Walzwerk als Warentausch oder als Produktionskette betrachtet. So wie man die Produktionskette in eine Richtung auffassen kann, kann man die Verteilung des Erlöses für das Fertigprodukt als Gegenstrom betrachten.

4 A und B tauschen ihre Produkte P1 und P2 gegeneinander: P1 D P2

Man hat also gesehen: in dem Gebrauchswert jeder Ware steckt eine bestimmte zweckmäßig produktive Tätigkeit oder nützliche Arbeit. Gebrauchswerte können sich nicht als Waren gegenübertreten, wenn nicht qualitativ verschiedene nützliche Arbeiten in ihnen stecken.1 In einer Gesellschaft, deren Produkte allgemein die Form der Ware annehmen, d.h. in einer Gesellschaft von Warenproduzenten, entwickelt sich dieser qualitative Unterschied der nützlichen Arbeiten, welche unabhängig voneinander als Privatgeschäfte selbständiger Produzenten betrieben werden, zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Teilung der Arbeit.

1 Marx gebraucht das Wort Gebrauchswert als Menge. Es können aber auch zwei Mengen gegeneinander getauscht werden, in denen die gleiche Art von Tätigkeit steckt, z.B. Tisch D Stuhl (in beiden steckt die Arbeit eines Tischlers), oder Kartoffeln D Möhren (in beiden steckt die Arbeit eines Gärtner oder Bauern). Letztendlich kann man auch Kartoffeln D Kartoffeln tauschen, die sich dann als „Waren gegenüber treten“

Dem Rock ist es übrigens gleichgültig, ob er vom Schneider oder vom Kunden des Schneiders getragen wird.1 In beiden Fällen wirkt er als Gebrauchswert.1 Ebensowenig ist das Verhältnis zwischen dem Rock und der ihn produzierenden Arbeit an und für sich dadurch verändert, daß die Schneiderei besondere Profession wird, selbständiges Glied der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit. Wo ihn das Kleidungsbedürfnis zwang, hat der Mensch jahrtausendelang geschneidert, bevor aus einem Menschen ein Schneider ward. Aber das Dasein von Rock, Leinwand, jedem nicht von Natur vorhandenen Element des stofflichen Reichtums, mußte immer vermittelt sein durch eine spezielle, zweckmäßig produktive Tätigkeit, die besondere Naturstoffe besonderen menschlichen Bedürfnissen assimiliert. Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.

1 Richtig, der Gebrauchswert des Rockes kann für den Schneider und den Kunden gleich 1 sein, oder mit Formelzeichen ausgedrückt: gRock(Schneider) = 1 und gRock(Kunde)=1. Über die tensoriellen Eigenschaften der Größe Gebrauchswert siehe „Basisgrößen und Grundeinheiten ökonomischer Größen“.

Die Gebrauchswerte Rock, Leinwand usw., kurz die Warenkörper, sind Verbindungen von zwei Elementen, Naturstoff und Arbeit1. Zieht man die Gesamtsumme aller verschiedenen nützlichen Arbeiten ab, die in Rock, Leinwand usw. stecken, so bleibt stets ein materielles Substrat zurück, das ohne Zutun des Menschen von Natur vorhanden ist. Der Mensch kann in seiner Produktion nur verfahren, wie die Natur selbst, d.h. nur die Formen der Stoffe ändern. Noch mehr. In dieser Arbeit der Formung |58| selbst wird er beständig unterstützt von Naturkräften. Arbeit ist also nicht der einzige Quelle der von ihr produzierten Gebrauchswerte, des stofflichen Reichtums.

1 Arbeit ist kein stoffliches Element, sondern eine stoff- und formändernde Tätigkeit.

„Alle Erscheinungen des Weltalls, seien sie hervorgerufen von der Hand des Menschen oder durch die allgemeinen Gesetze der Physik, sind nicht tatsächliche Neuschöpfungen, sondern lediglich eine Umformung des Stoffes. Zusammensetzen und Trennen sind die einzigen Elemente, die der menschliche Geist immer wieder bei der Analyse der Verstellung der Reproduktion findet; und ebenso verhält es sich mit der Reproduktion des Wertes1 und des Reichtums, wenn Erde, Luft und Wasser auf den Feldern sich in Korn verwandeln, oder auch wenn sich durch die Hand des Menschen die Abscheidung eines Insekts in Seide verwandelt, oder einige Metallteilchen sich anordnen, um eine Repetieruhr zu bilden.“ Pietro Verri: Meditazioni sulla Economia Politica – zuerst gedruckt 1771 – in der Ausgabe der italienischen Ökonomen von Custodi, Parte Moderna, t. XV, p. 21, 22.

1 Einfügung von Karl Marx: Gebrauchswert, obgleich Verri hier in seiner Polemik gegen die Physiokraten selbst nicht recht weiß, von welcher Sorte Wert er spricht. Es ist dahingehend interessant, daß Marx, der selber nicht sauber zwischen Produkt-, Tausch- und Gebrauchswert und den Wertkategorien Menge, Größe und Größenwert unterscheidet, hier gegen Verri polemisiert.

Gehen wir nun von der Ware, soweit sie Gebrauchsgegenstand, über zum Waren-Wert.

Es ist komisch, hat Marx den Warenwert doch schon auf Seite 52 erörtert.

Nach unserer Unterstellung hat der Rock den doppelten Wert1 der Leinwand. Dies ist aber nur ein quantitativer Unterschied, der uns zunächst noch nicht interessiert. Wir erinnern daher, daß, wenn der Wert eines Rockes doppelt so groß als der von 10 Ellen Leinwand, 20 Ellen Leinwand dieselbe Wertgröße1 haben wie ein Rock. Als Werte sind Rock und Leinwand Dinge von gleicher Substanz, objektive Ausdrücke gleichartiger Arbeit.1

1 Marx meint den Produktwert. Wenn gemäß Unterstellung pRock = 2 * p10 Ellen Leinwand, dann pRock = p 20 Ellen Leinwand.

1 Rock und Leinwand sind nicht Werte, sondern sie haben einen Produktwert und haben einen Gebrauchswert. Rock und Leinwand haben Eigenschaften, die miteinander vergleichbar sind: in ihnen steckt menschliche Arbeitszeit. Diese Eigenschaft ist gleichartig, aber nicht die in ihnen steckende Arbeit. Und Arbeit ist keine Substanz sondern eine Tätigkeit.

Aber Schneiderei und Weberei sind qualitativ verschiedene Arbeiten. Es gibt jedoch Gesellschaftszustände, worin derselbe Mensch abwechselnd schneidert und webt, diese beiden verschiedenen Arbeitsweisen daher nur Modifikationen der Arbeit desselben Individuums und noch nicht besondere feste Funktionen verschiedener Individuen sind, ganz wie der Rock, den unser Schneider heute, und die Hosen, die er morgen macht, nur Variationen derselben individuellen Arbeit voraussetzen. Der Augenschein lehrt ferner, daß in unsrer kapitalistischen Gesellschaft, je nach der wechselnden Richtung der Arbeitsnachfrage, eine gegebene Portion menschlicher Arbeit abwechselnd in der Form von Schneiderei oder in der Form von Weberei zugeführt wird. Dieser Formwechsel der Arbeit mag nicht ohne Friktion abgehen, aber er muß gehen. Sieht man ab von der Bestimmtheit der produktiven Tätigkeit und daher vom nützlichen Charakter der Arbeit, so bleibt das an ihr, daß sie eine Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ist. Schneiderei und Weberei, obgleich qualitativ verschiedene produktive Tätigkeiten, sind beide produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw., und in diesem Sinn beide |59| menschliche Arbeit. Es sind nur zwei verschiedene Formen, menschliche Arbeitskraft zu verausgaben. Allerdings muß die menschliche Arbeitskraft selbst mehr oder minder entwickelt sein, um in dieser oder jener Form verausgabt zu werden.

Der Wert1 der Ware aber stellt menschliche Arbeit schlechthin dar, Verausgabung menschlicher Arbeit2 überhaupt. Wie nun in der bürgerlichen Gesellschaft ein General oder Bankier eine große, der Mensch schlechthin dagegen eine sehr schäbige Rolle spielt (vgl. Hegel: Philosophie des Rechts, Berlin 1840, p. 250, § 190), so steht es auch hier mit der menschlichen Arbeit.3 Sie ist Verausgabung einfacher Arbeitskraft, die im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch, ohne besondere Entwicklung, in seinem leiblichen Organismus besitzt. Die einfache Durchschnittsarbeit selbst wechselt zwar in verschiedenen Ländern und Kulturepochen ihren Charakter, ist aber in einer vorhandenen Gesellschaft gegeben. Kompliziertere Arbeit gilt nur als potenzierte oder vielmehr multiplizierte einfache Arbeit4, so daß ein kleineres Quantum komplizierter Arbeit gleich einem größeren Quantum einfacher Arbeit5.

1 Es ist unklar welche ökonomische Wertgröße Marx meint. Es gibt auch eine physikalische Größe namens Arbeit, aber die hat nichts mit der Arbeitszeit zu tun.

2 Wenn er mit 1 den Produktwert meint, muß es hier „Arbeitszeit“ heißen.

3 General und Bänker spielen nur deshalb eine „große Rolle“, weil genau diese überwiegend konsumierenden Personen den arbeitenden Produzenten „klein“ machen.

4 Versuchen Sie mal eine Tätigkeit, z.B. eine Tischlerarbeit zu potenzieren. Tischlerarbeit ins Quadrat oder hoch drei, was soll das denn sein? Marx meint, daß in komplizierter Arbeit eine größere Portion Arbeitszeit steckt als in der einfachen Arbeit des Straßefegens, weil z.B. die Studienzeit des Ingenieurs mit eingerechnet werden muß.

5 Quantum ist eine Menge. Bei der Bewertung dieser Aussage kommt es darauf an, ob man die Bedeutung von „kleiner“ und „größer“ höher priorisiert als die von „kompliziert und einfach“. Aber aufpassen: Arbeit ist eine Tätigkeit und etwas anderes als Arbeitszeit!

Daß diese Reduktion beständig vorgeht, zeigt die Erfahrung1. Eine Ware mag das Produkt der kompliziertesten Arbeit sein, ihr Wert2 setzt sie dem Produkt einfacher Arbeit gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum einfacher Arbeit dar.2 (Der Leser muß aufmerken, daß hier nicht vom Lohn oder Wert die Rede ist, den der Arbeiter für etwa einen Arbeitstag erhält, sondern vom Warenwert, worin sich sein Arbeitstag vergegenständlicht. Die Kategorie des Arbeitslohns existiert überhaupt noch nicht auf dieser Stufe unsrer Darstellung.2) Die verschiedenen Proportionen, worin verschiedene Arbeitsarten auf einfache Arbeit als ihre Maßeinheit reduziert sind, werden durch einen gesellschaftlichen Prozeß hinter dem Rücken der Produzenten festgesetzt und scheinen ihnen daher durch das Herkommen gegeben. Der Vereinfachung halber gilt uns im Folgenden jede Art Arbeitskraft unmittelbar für einfache Arbeitskraft, wodurch nur die Mühe der Reduktion erspart wird.

1 Es gibt keine Reduktion von komplizierter Arbeit auf einfache Arbeit, sondern ein unterbewußtes Abschätzen der erforderlichen Arbeitszeiten.

2 Marx meint den Produktwert

2 Es ist schon interessant, daß Marx in seiner Fußnote (hier als Einschub in Klammern wiedergegeben) den Leser daraufhin weist, daß der Produtkwert (denn davon redet er im 1 Satz) etwas anderes als der Lohn ist. Auf den Unterschied zwischen Lohn und Produktwert werde ich später noch eingehen.

Wie also in den Werten Rock und Leinwand von dem Unterschied ihrer Gebrauchswerte abstrahiert ist, so in den Arbeiten, die sich in diesen Werten darstellen, von dem Unterschied ihrer nützlichen Formen, der Schneiderei und Weberei. Wie die Gebrauchswerte Rock und Leinwand Verbindungen zweckbestimmter, produktiver Tätigkeiten mit Tuch und Garn sind, die Werte Rock und Leinwand dagegen bloße gleichartige Arbeitsgallerten, so gelten auch die in diesen Werten enthaltenen Arbeiten nicht durch ihr produktives Verhalten zu Tuch und Garn, sondern nur als Verausgabungen menschlicher Arbeitskraft. Bildungselemente der |60| Gebrauchswerte Rock und Leinwand sind Schneiderei und Weberei eben durch ihre verschiedenen Qualitäten; Substanz des Rockwerts und Leinwandwerts sind sie nur, soweit von ihrer besonderen Qualität abstrahiert und beide gleiche Qualität besitzen, die Qualität menschlicher Arbeit.

Das ist alles so verdreht und krude ausgedrückt, daß ich besser komme, diesen Absatz gleich richtig und ordentlich zu formulieren: Produkt- und Gebrauchswert sind unterschiedliche Größen und beruhen auf unterschiedlichen Eigenschaften. Weben und Schneidern sind ebenfalls unterschiedliche Tätigkeiten. Der Produktwert des Rocks und der Produktwert der Leinwand beruhen dagegen auf einer gleichen Eigenschaft namens „menschlicher Arbeitszeit“, also Zeit in der ein Mensch arbeitet. Die produktive Tätigkeit, auch Arbeit genannt, ist somit die Ursache des Produktwertes, bildet ihn quasi. Die Tätigkeiten können zwar qualitativ verschieden sein, die Produktwerte sind aber von der gleichen Art.

Rock und Leinwand sind aber nicht nur Werte überhaupt, sondern Werte von bestimmter Größe, und nach unsrer Unterstellung ist der Rock doppelt soviel wert als 10 Ellen Leinwand.1 Woher diese Verschiedenheit ihre Wertgrößen2? Daher, daß die Leinwand nur halb soviel Arbeit enthält als der Rock, so daß zur Produktion des letzteren die Arbeitskraft während doppelt soviel Zeit verausgabt werden muß als zur Produktion der erstern.3

1 Rock und Leinwand haben nicht nur einen Gebrauchs- und einen Produktwert, ihre Produktwerte sind auch noch verschieden groß. Der Produktwert des Rocks sei doppelt so groß, wie der Produktwert von 10 Ellen Leinwand.

2 Hier macht Marx wieder einen entscheidenden Fehler: er verwechselt die Begriffe Größenwert und Wertgröße. Hier sagt er „Wertgrößen“ und meint eigentlich die Größenwerte der Produktwerte von Rock und Leinwand. Der Größenwert des Produktwertes vom Rock sei 2h (also pRock = 2h), der von 10 Ellen Leinwand 1h (also pLeinwand = 1h)

3 In diesem Satz verwechselt er wieder Arbeitskraft mit Arbeitszeit.

Wenn also mit Bezug auf den Gebrauchswert die in der Ware enthaltene Arbeit nur qualitativ gilt1, gilt sie mit Bezug auf die Wertgröße nur quantitativ2, nachdem sie bereits auf menschliche Arbeit ohne weitere Qualität reduziert ist3. Dort handelt es sich um das Wie und Was der Arbeit4, hier um ihr Wieviel, ihre Zeitdauer5. Da die Wertgröße einer Ware nur das Quantum der in ihr enthaltenen Arbeit darstellt6, müssen Waren in gewisser Proportion stets gleich große Werte sein7.

1 Arbeit hat überhaupt nichts mit dem Gebrauchswert einer Ware zu tun, sie geht überhaupt nicht in den Gebrauchswert ein. Zur Erinnerung: der Gebrauchswert einer Ware, ist die Fähigkeit, ein menschliches Bedürfnis zu befriedigen!

2 Marx meint mit Wertgröße hier den Produktwert einer Ware. In Bezug auf den Produktwert gilt die Arbeit nicht nur quantitativ (als Zahl), sondern ihre Eigenschaft (Qualität) „Dauer“ geht in die Größe Produktwert ein. Größenwerte sind immer das mathematische Produkt (Multipikation) von Zahl * Einheit, Quantität * Qualität.

3 Wie kann Arbeit auf Arbeit reduziert werden? Der Produktwert ist eine Abstraktion der Arbeit. Wenn man vom Produktwert spricht, läßt man alle anderen Eigenschaften der Arbeit weg und betrachtet halt nur die Dauer der Tätigkeit.

4 Mit „Dort“ meint Marx den Gebrauchswert. Wie schon aber in 1 gezeigt, hat der Gebrauchswert nichts mit dem „Wie und Was der Arbeit“ zu tun.

5 Mit „hier“ meint Marx „die Wertgröße“ (mit der er, wie in 2 gezeigt, den Produktwert meint). Beim Produktwert handelt es sich in der Tat um die Dauer der Arbeit.

6 Wenn Marx mit Wertgröße den Produktwert und mit Arbeit die Arbeitszeit meinen würde, wäre diese Aussage richtig.

7 Mit „Waren in gewisser Proportion“ meint Marx den Austausch zweier Warenmengen. Falls er hier mit „Werte“ die Produktwerte dieser beiden Warenmengen meint, so müssen diese auf keinen Fall gleich groß sein. Man denke an den Austausch von 5 kg Kartoffeln D 1 Papierzettel.

Bleibt die Produktivkraft, sage aller zur Produktion eines Rocks erheischten nützlichen Arbeiten unverändert, so steigt die Wertgröße1 der Röcke mit ihrer eignen Quantität. Wenn 1 Rock x, stellen 2 Röcke 2 x Arbeitstage dar usw2. Nimm aber an, die zur Produktion eines Rocks notwendige Arbeitszeit steige auf das Doppelte3 oder falle um die Hälfte4. Im ersten Fall hat ein Rock soviel Wert als vorher zwei Röcke5, im letzteren Fall haben zwei Röcke nur soviel Wert als vorher einer6, obgleich in beiden Fällen ein Rock nach wie vor dieselben Dienste leistet7 und die in ihm enthaltene nützliche Arbeit nach wie vor von derselben Güte bleibt8. Aber das in seiner Produktion verausgabte Arbeitsquantum9 hat sich verändert.

1 Marx meint den Produktwert, der aber unabhängig von der Menge der Arbeit ist (Quantität), sondern nur von der darin steckenden Arbeitszeit abhängt.

2 Wenn zur Herstellung von einem Rock 1 Tag menschliche Arbeitszeit gebraucht wird, dann sei sein Produktwert p = 8h, oder p1 Rock = 8h. (Ich unterstelle mal einen 8-stündigen Arbeitstag).

2b In 2 Röcken stecken dann 16h menschliche Arbeitszeit, oder p2 Röcke = 16h.

3 Wenn die zur Produktion eines Rockes notwendige Arbeitszeit auf das Doppelte steigt, dann beträgt der Produktwert eines Rockes gleich 16 Stunden, oder p1 Rock = 16h.

4 Wenn die zur Produktion eines Rockes notwendige Arbeitszeit um die Hälfte falle, dann beträgt der Produktwert eines Rockes gleich 4 Stunden, oder p1 Rock = 4h.

5 Richtig, siehe 3 und 2b.

6 Richtig, siehe 4 und 2.

7 Hier spricht Marx vom Gebrauchswert. Wenn die Überproduktion aber keine Abnehmer mehr findet, der Markt also übersättigt ist, kann es auch sein, daß kein Mensch mehr da ist, der das Bedürfnis nach einem Rock hat. Dann sinkt der Wert des Gebrauchswertes dieser überzählig produzierten Röcke auf 0.

8 Wenn niemand mehr da ist, für den der Rock einen Gebrauchswert hat, bleibt die ihn ihm steckende Arbeit und Arbeitszeit zwar von „derselben Güte“, aber sein Tauschwert sinkt auf 0.

9 Es ist fraglich, ob Marx die Menge an Arbeit oder die Summe an Arbeitszeit meint. Da er im zweiten Satz von Arbeitstagen redet, könnte man annehmen, daß er die Arbeitszeit meint, was auch korrekt wäre.

Ein größeres Quantum Gebrauchswert bildet an und für sich größeren stofflichen Reichtum, zwei Röcke mehr als einer. Mit zwei Röcken kann man zwei Menschen kleiden, mit einem Rock nur einen Menschen usw. Dennoch kann der steigenden Masse des stofflichen Reichtums ein gleichzeitiger Fall seiner Wertgröße1 entsprechen.

1 Es ist unklar, welche Wertgröße (Gebrauchswert oder Tauschwert) Marx hier meint. Falls er den Tauschwert meint, wäre der Satz richtig. Die Begründung, warum der Tauschwert sinken kann, findet sich in 8 des vorigen Absatzes.

Diese gegensätzliche Bewegung entspringt aus dem zwieschlächtigen Charakter der Arbeit.

Nein, diese gegensätzliche Bewegung (gemeint ist die Steigerung der Gebrauchswerte und das Sinken der Tauschwerte) entspringt der begrenzten Anzahl an Bedürfnissen eines Menschen und nicht der zwieschlächtigen Eigenschaft der Arbeit.

Produktivkraft ist natürlich stets Produktivkraft nützlicher, konkreter Arbeit und bestimmt in der Tat nur den Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit in gegebenem Zeitraum.

Ich kenne natürlich die ausschweifende Definition der Politischen Ökonomie von dem Begriff Produktivkraft, halte es aber eher mit der einfachen Umschreibung: Produktmenge pro Zeiteinheit, was eher mit Produktivität ausgedrückt wird.

Die nützliche Arbeit wird daher reichere oder dürftigere Produktenquelle im direkten Verhältnis zum Steigen oder Fallen ihrer Produktivkraft.

Marx hätte recht, wenn er mit „nützlicher Arbeit“ jene Arbeitszeit meint, die im Austausch vom Tauschpartner anerkannt wird. Diese Arbeitszeit ist aber der Tauschwert einer Ware. Beweis: Angenommen der Schneider im vorigen Absatz braucht 12 Stunden für 1 Rock, statt die gesellschaftlich notwendigen 8 Stunden, die als Mittelwert aller Arbeitszeiten aller Schneider zustande kommt. Ein Käufer, der den Rock von Schneider S gegen irgendetwas anderes tauscht, wird sich an den gesellschaftlich anerkannten 8 Stunden orientieren. Wenn er den Rock also gegen Waren mit einem Produktwert von 8h tauscht, hat der Rock des Schneiders S zwar einen Produktwert von 12h, aber nur einen Tauschwert von 8h. Der Produktwert, den der Schneider für seinen Rock bekommt, stellt quasi das Quantum seiner „nützlichen Arbeit“ dar, obwohl dies überhaupt nichts mit dem Gebrauchswert des Rockes zu tun hat.

Dagegen trifft ein Wechsel der Produktivkraft die im |61| Wert dargestellte Arbeit an und für sich gar nicht.

Hier bleibt unklar was Marx unter Wert versteht. Ein Wechsel der Produktivkraft trifft nicht den Gebrauchswert, aber den Produktwert und wie wir um vorigen Absatz gesehen haben auch den Tauschwert. Es ist also unbedingt notwendig, zwischen diesen 3 ökonomischen Größen zu unterscheiden.

Da die Produktivkraft der konkreten nützlichen Form der Arbeit angehört, kann sie natürlich die Arbeit nicht mehr berühren, sobald von ihrer konkreten nützlichen Form abstrahiert wird.

Ist mir völlig unklar, was Marx hier meint.

Dieselbe Arbeit ergibt daher in denselben Zeiträumen stets dieselbe Wertgröße1, wie immer die Produktivkraft wechsle. Aber sie liefert in demselben Zeitraum verschiedene Quanta Gebrauchswerte2, mehr, wenn die Produktivkraft steigt, weniger, wenn sie sinkt. Derselbe Wechsel der Produktivkraft, der die Fruchtbarkeit der Arbeit und daher die Masse der von ihr gelieferten Gebrauchswerte vermehrt, vermindert also die Wertgröße1 dieser vermehrten Gesamtmasse, wenn er die Summe der zu ihrer Produktion notwendigen Arbeitszeit3 abkürzt. Ebenso umgekehrt.

1 Wenn Marx den Produktwert meinen würde, wäre der Satz richtig.

2 Hier Menge an Gebrauchsgegenständen / Waren

3 Marx verwendet hier tatsächlich einmal die richtige Bezeichnung „Arbeitszeit“

Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert1. Alle Arbeit ist andrerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besonderer zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte.

1 Wir hatten es schon weiter oben erörtert: Marx unterscheidet nicht zwischen Gebrauchs-, Produkt- und Tauschwert. Die Arbeit bildet den Gebrauchswert, wäre ja noch ok, sie bildet den Produktwert, wäre auch noch ok (obwohl seine Größe aber durch die Arbeitszeit gebildet wird), der Tauschwert wird aber einzig und allein im Warentausch gebildet. Falls der Warentausch auch als Arbeit verstanden wird, wäre die Aussage auch noch ok.

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{Note zur 2. Ausgabe. Um zu beweisen, „daß die Arbeit allein das endgültige und reale Maß ist, woran der Wert aller Waren zu allen Zeiten geschätzt und verglichen werden kann“, sagt A. Smith: „Gleiche Quantitäten Arbeit müssen zu allen Zeiten und an allen Orten für den Arbeiter selbst denselben Wert haben. In seinem normalen Zustand von Gesundheit, Kraft und Tätigkeit und mit dem Durchschnittsgrad von Geschicklichkeit, die er besitzen mag, muß er immer die nämliche Portion seiner Ruhe, seiner Freiheit und seines Glücks hingeben.“ Wealth of Nations“, b. I, ch. V, [p.104/105]. Einerseits verwechselt A. Smith hier (nicht überall) die Bestimmung des Werts durch das in der Produktion der Ware verausgabte Arbeitsquantum mit der Bestimmung der Warenwerte durch den Wert der Arbeit und sucht daher nachzuweisen, daß gleiche Quantitäten Arbeit stets denselben Wert haben. Andrerseits ahnt er, daß die Arbeit, soweit sie sich im Wert der Waren darstellt, nur als Verausgabung von Arbeitskraft gilt, faßt diese Verausgabung aber wieder bloß als Opfer von Ruhe, Freiheit und Glück, nicht auch als normale Lebensbetätigung. Allerdings hat er den modernen Lohnarbeiter vor Augen. F. E.}

Ich ziehe mal die Aussagen von Adam Smith raus und versuche diese zu korrigieren und zu kommentieren:

„Gleiche Quantitäten Arbeit müssen zu allen Zeiten und an allen Orten für den Arbeiter selbst denselben Wert haben.1 In seinem normalen Zustand von Gesundheit, Kraft und Tätigkeit und mit dem Durchschnittsgrad von Geschicklichkeit, die er besitzen mag, muß er immer die nämliche Portion seiner Ruhe, seiner Freiheit und seines Glücks hingeben.2

1 Auch A Smith differenziert nicht sauber zwischen Produkt-, Gebrauchs- und Tauschwert und verwechselt zusätzlich Arbeit mit Arbeitszeit. Hätte er geschrieben: ´Gleiche Quantitäten Arbeitszeit müssen zu allen Zeiten und an allen Orten für die Arbeiter denselben Produktwert ergeben.´ hätte er recht gehabt.

2 Smith hat zwar recht, aber die Einstellung zur Arbeit ist schon erstaunlich: Arbeit als Freiheitsberaubung, Arbeit als Unglück.

Die Kommentierung des Kommentars von Engels erspare ich mir, da er den Marxschen Irrtümern genauso verfallen ist, wie all seine anderen Nachfolger.

{Viel treffender sagt der in Note 9 zitierte anonyme Vorgänger von A. Smith: „Ein Mann hat eine Woche auf Herstellung dieses Bedarfsgegenstands verwandt … und der, welcher ihm einen anderen Gegenstand im Austausch gibt, kann nicht richtiger abschätzen, was wirklich gleichwertig ist, als durch die Berechnung, was ihm ebensoviel labour und Zeit kostet. Das bedeutet in der Tat den Austausch der labour, die ein Mensch in einer bestimmten Zeit auf einen Gegenstand verwandt hat, gegen die labour eines andren, in der gleichen Zeit auf einen anderen Gegenstand verwandt.“ Some Thoughts on the Interest of Money in general etc.“, p. 39. – F. E.}

Völlig korrekt. Das würde ich als den produktwertäquivalenten Austausch zweier Warenmengen bezeichnen.

{Zur 4. Auflage: Die englische Sprache hat den Vorzug, zwei verschiedne Worte für diese zwei verschiednen Aspekte der Arbeit zu haben. Die Arbeit, die Gebrauchswerte schafft und qualitativ bestimmt ist, heißt work, im Gegensatz zu labour; Die Arbeit, die Wert1 schafft und nur quantitativ gemessen wird, heißt labour im Gegensatz zu work. Siehe Note zu engl. Übersetzung, p. 14. – F. E.}

1 Die englische Sprache wird hier den Produktwert meinen – und mit labour die Arbeitszeit.